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Philip Larkin
This be the Verse
They fuck you up, your mum and dad.
They may not mean to, but they do.
They fill you with the faults they had
And add some extra, just for you.

But they were fucked up in their turn
By fools in old-style hats and coats,
Who half the time were soppy-stern
And half at one another`s throats.

Man hands on misery to man.
It deepens like a coastal shelf.
Get out as early as you can,
And don`t have any kids yourself




Theodor Fontane  (1819-1898)
Würd' es mir fehlen, würd' ich's vermissen?
Heute früh, nach gut durchschlafener Nacht,
Bin ich wieder aufgewacht.
Ich setzte mich an den Frühstückstisch,
Der Kaffee war warm, die Semmel war frisch,
Ich habe die Morgenzeitung gelesen,
(Es sind wieder Avancements gewesen).
Ich trat ans Fenster, ich sah hinunter,
Es trabte wieder, es klingelte munter,
Eine Schürze (beim Schlächter) hing über dem Stuhle,
Kleine Mädchen gingen nach der Schule, –
Alles war freundlich, alles war nett,
Aber wenn ich weiter geschlafen hätt'
Und tät' von alledem nichts wissen,
Würd' es mir fehlen, würd' ich's vermissen?

Kommentar:
Was hier so heiter daherkommt ist nichts Geringeres als eine poetische Behandlung des philosophischen Problems intermittierender Nichtexistenz, das heißt: zwischenzeitlicher Nichtexistenz. Wenn zutrifft, dass wir in tiefem Schlafe keinerlei Bewusstsein haben, dann gehört dieser Tiefschlaf nicht zu den Phasen unserer Existenz, sondern er bedeutet vorübergehende Nichtexistenz. Unser Tod ist nichts anderes als ewige Nichtexistenz, auf die uns bewusstseinsloser Schlaf einen angenehmen Vorgeschmack bietet. Wer im Tiefschlaf nicht existiert, vermisst sich nicht. Der Tod ist nichts weiter als Schlafes großer Bruder.
[Kommentar vom 21.10.2010]




Friedrich von Spee (1591-1635)
Trutznachtigall

4.
Geschwind/ geschwind/ all vhr vn stund
Der todt auff vnß kombt eylen:
Ist vngewiß wen er verwund
Mit seinen bleichen pfeilen.
Wen er nit find in gnaden zeit/
Wär nützer nie geboren:
Wer vnbereit von hinnen scheidt/
Ist ewiglich verlohren.



Angelus Silesius (1624-1677)
Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge

72
Kurz ist die Lust, kurz ist die Zeit,
Vergänglich diese Freuden,
Lang ist die Pein und Ewigkeit,
Beständig währt ihr Leiden.
O Ewigkeit, o Ewigkeit,
O ewig sein verloren!
O Last, o Unerträglichkeit,
O besser, nie geboren!



Johann Gottfried Herder (1744-1803)
Die Frage der Sehnsucht

Herr, unser Gott, wann kommt Dein Reich?
Wir warten sein so lange!
Wir beten: "Zu uns komm' Dein Reich!"
Und ist uns sehnlich bange.

Der Frevler höhnt, der Spötter lacht,
Der Fromme seufzt vergebens
Am Morgen und in Mitternacht:
"Wo bleibst Du, Fürst des Lebens?"

Du sprachst: "Ich komm', ich komme bald
Mit großem Lohn und Strafen."
Wo ist, wo ist Dein Aufenthalt?
Die Väter sind entschlafen.

Sie hofften, seufzten auch, wie wir,
Und legten sich danieder;
Wir hoffen, seufzen auch nach Dir,
Und Du erscheinst nicht wieder!

Bist Du zu Deines Vaters Hand,
Wo Du Dein Reich genommen,
Und siehst nicht mehr Dein Erdenland
Und kannst nicht wiederkommen?

Und Deine Lehre wär' ein Traum
Und unser Wunsch verloren,
Und wir erstürben wie der Baum?
O besser, nie geboren!



Heinrich Heine (1797-1856)
Gedichte 1853 und 1854
Ruhelechzend

Laß bluten deine Wunden, laß
Die Tränen fließen unaufhaltsam -
Geheime Wollust schwelgt im Schmerz,
Und Weinen ist ein süßer Balsam.

Verwundet dich nicht fremde Hand,
So mußt du selber dich verletzen;
Auch danke hübsch dem lieben Gott,
Wenn Zähren deine Wangen netzen.

Des Tages Lärm verhallt, es steigt
Die Nacht herab mit langen Flören.
In ihrem Schoße wird kein Schelm,
Kein Tölpel deine Ruhe stören.

Hier bist du sicher vor Musik,
Vor des Pianofortes Folter,
Und vor der großen Oper Pracht
Und schrecklichem Bravourgepolter.

Hier wirst du nicht verfolgt, geplagt
Vom eitlen Virtuosenpacke

 Und vom Genie Giacomos
Und seiner Weltberühmtheitsclaque.

O Grab, du bist das Paradies
Für pöbelscheue, zarte Ohren -
Der Tod ist gut, doch besser wär's,
Die Mutter hätt uns nie geboren.


Heinrich Heine
Nachlese
Morphine

Groß ist die Ähnlichkeit der beiden schönen
Jünglingsgestalten, ob der eine gleich
Viel blässer als der andre, auch viel strenger,
Fast möcht ich sagen: viel vornehmer aussieht
Als jener andre, welcher mich vertraulich
In seine Arme schloß - Wie lieblich sanft
War dann sein Lächeln, und sein Blick wie selig!
Dann mocht es wohl geschehn, daß seines Hauptes
Mohnblumenkranz auch meine Stirn berührte
Und seltsam duftend allen Schmerz verscheuchte
Aus meiner Seel' - Doch solche Linderung,
Sie dauert kurze Zeit; genesen gänzlich
Kann ich nur dann, wenn seine Fackel senkt
Der andre Bruder' der so ernst und bleich. -
Gut ist der Schlaf, der Tod ist besser - freilich
Das beste wäre, nie geboren sein.


Klabund (1890-1928)
Es hat ein Gott

Es hat ein Gott mich ausgekotzt,
Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck,
Und komm und komme nicht vom Fleck.

Doch hat er es noch gut gemeint,
Er warf mich auf ein Wiesenland,
Mit Blumen selig bunt bespannt.

Ich bin ja noch so tatenjung.
Ihr Blumen sagt, ach, liebt ihr mich?
Gedeiht ihr nicht so reich durch mich?
Ich bin der Dung! Ich bin der Dung!

(Aus: Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern!)


Giacomo Leopardi (1798-1837)
Gesänge
XXIII. Nachtgesang eines wandernden Hirten in Asien

Was machst du, Mond, am Himmel? Sag, was machst du,
Du ewig stiller Mond?
Am Abend erst erwachst du
Und wanderst durch die Oede, und dann ruhst du.
Bist du's nicht satt, von Neuen
Die immergleichen Pfade hinzugehen?
Entleidet dir's noch nicht, kann dich noch freuen,
Die Thäler hier zu sehen?
Wie ähnlich doch dem deinen
Ist eines Hirten Leben!
Früh muß er sich erheben,
Die Heerde treiben übers Feld und sieht
Heerden und Au'n und Quellen;
Dann ruht er müde bei des Abends Schimmer,
Und Andres hofft er nimmer.
Sag mir, o Mond: uns Andern
Was frommt uns dieses Leben
Und euer Leben euch? Sag, wohin zielt
Mein kurzes Schweifen hier
Und dein unsterblich Wandern?

Ein Greis, grau und gebrechlich,
Nur halb bekleidet, barfuß,
Den Rücken unter schwerer Last gebeugt,
Der über Berge keucht,
Durch Klüft' und Klippen, tiefen Sand und Hecken,
Im Sturm, im Ungewitter, wenn die Luft
Glüht oder eisig glastet, -
Er läuft und läuft und hastet,
Setzt über Ström' und Sümpfe,
Fällt hin, steht wieder auf, eilt mehr und mehr,
Zerfetzt, blutrünstig, bis er endlich anlangt,
Wohin der Weg und dessen
Vielfache Mühsal einzig hingelenkt,
Zum unermessnen Abgrund,
Und stürzt hinab, zu ewigem Vergessen.
O keuscher Mond, dies eben
Ist unser Menschenleben.

Schwer tritt ein Mensch ans Licht,
Und tödlich oft ist das Geborenwerden.
Von Leiden und Beschwerden
Wird er empfangen. Gleich zu Anbeginne
Mühn sich die Eltern beide,
Das Kind zu trösten, daß es nun soll leben,
Und wächs't es dann, so pflegen
Und hegen sie's und suchen, wie sie können,
Es leichter ihm zu machen,
Das Unglück, daß dem Leide
Der Mensch verfallen ist trotz seinem Streben.
Nichts Bessres weiß zu geben
Der Eltern Lieb' und Treu' uns Armen, Schwachen.
Allein warum entfachen
Den ersten Lebensfunken,
Wenn Trostes wir bedürfen, daß wir leben?
Warum, wenn Leben Pein,
Verdammt man uns zum Sein?
O reiner Mond, das eben
Ist unser Menschenleben.
Du aber bist nicht sterblich
Und wirst kaum Acht auf meine Klage geben.

Doch du, einsame, ew'ge Wandlerin,
Gedankenvolle, du vielleicht verstehst,
Was dieses Erdenleben,
Dies unser Leiden soll und unser Bangen,
Was unser Tod bedeute, dieses letzte
Erblassen unsrer Wangen,
Dies von der Erde Schwinden und Entschweben
Aus jedem Kreise, der uns traut umfangen.
Du sicherlich verstehst
All das Warum der Dinge, was der Morgen
Für Frucht bringt und der Tag
Und dieser stumm endlose Lauf der Zeit;
Du weißt, du sicher, welchem holden Lieb
Der Lenz zulächeln mag,
Wem gilt des Sommers Glut, und was bezwecken
Des Winters eis'ge Schrecken;
Du weißt ja tausend Dinge, deren Kunde
Dem schlichten Hirten tief verborgen blieb.
Oft wenn ich dich betrachte,
Wie stumm du dastehst überm öden Plan,
Deß ferner Umkreis an den Himmel grenzt,
Oder wie du mir folgst,
Wenn ich die Heerde treibe sacht voran
Und seh' die Stern' erglänzen dicht und dichter,
Frag' ich mich in Gedanken:
Wozu so viele Lichter?
Was soll das weite Luftmeer, jener tiefe
Endlose Aether? Was bedeutet diese
Gewalt'ge Einsamkeit? Und ich, was bin ich?
So grübl' ich bei mir selbst; und für dies Haus,
So grenzenlos und herrlich,
Für seine zahllos wimmelnden Bewohner,
Dann für so vieles Mühn, so vieles Regen
Der Wesen all', die Erd' und Himmel faßt,
Umkreisend ohne Rast,
Um doch zum Ausgang stets zurückzukehren,
Vermag ich weder Grund
Noch Zweck zu ahnen. Aber dir gewiß,
Göttliche Jungfrau, ist dies Alles kund.
Mir ist nur das bewußt,
Daß von dem ew'gen Kreisen
Und meinem schwachen Sein
Vielleicht ein Andrer Lust
Und Vortheil hat; mir ist das Leben Pein.

O meine Heerde dort, wie bist du glücklich,
Weil du dein Elend schwerlich wohl verstehst.
Wie muß ich dich beneiden,
Nicht bloß, weil von Beschwerden
Beinah befreit du gehst
Und aller Mühn und Fährden
Und jeder höchsten Angst so bald vergissest,
Nein, mehr noch, weil dich Langweil nie befällt.
Wenn du im Schatten lagerst, auf der Wiese,
Still und zufrieden bist du
Und bringst in solcher Art
Den langen Sommer ungelangweilt hin.
Und ich auch sitz' im Schatten hier im Feld,
Doch Ueberdruß befällt
Mein Herz, und stachelnd wühlt in mir ein Weh,
Daß ich, hier ruhend, ferner bin als je
Von Ruh' und Rast und Frieden.
Und dennoch wünsch' ich Nichts
Und hatte nie zum Weinen Grund bis heut.
Was dich ergötzt und freut,
Ich weiß es nicht; doch hast du dein Behagen.
Mir ist nicht Viel beschieden
An Glück; doch darum klag' ich nicht allein.
Nur, wenn du sprechen könntst, möcht' ich dich fragen,
Warum, o liebe Heerde,
In Muße jedes Thier
Sich fröhlich mag begnügen,
Und mir's zur Last wird, hier so still zu liegen?

Vielleicht, wenn ich mit Flügeln
Mich über Wolken schwingen
Und einzeln all die Sterne könnte zählen,
Oder dem Donner gleich auf Bergen schweifen,
Wär' ich beglückter, meine traute Heerde,
Wär' ich beglückter, heller Mond dort oben.
Doch irrt vielleicht der Sinn,
Der neidisch blickt nach andern Loosen hin.
Vielleicht in Wieg' und Hürde,
Und ob man niedrig sei, ob hoch erhoben,
Ist Allen gleich das Leben eine Bürde.

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